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Samstag, 15. September 2012

Streit

Heute am frühen Nachmittag sind wir ins Haus meines Vater gefahren, um den Zählerstand des Wassers abzulesen. Das hört sich ja alles noch harmlos an, aber bei diesem Besuch kam es zur schon längst fälligen Aussprache.
Die Freundin meines Vaters konfrontierte uns damit, dass mein Vater seit seinem Spitalaufenthalt um vieles schlechter beisammen ist als vor der Untersuchung. Sie meint, als gesunder Mann ist er vor zwei Wochen ins Krankenhaus gegangen und komplett verwirrt ist er nach zwei Tagen wieder entlassen worden. Sie widerholte sich immer wieder und schrie immer lauter. Ausserdem gaben wir im Spital an, dass er nicht alleine ist und betreut wird. Ja wo soll den die Betreuung sein, meint sie, die will sie dann aber auch haben. Schrei, kreisch.

Es war an der Zeit ihr unsere Sicht der Dinge zu erklären. Ich habe das immer hinausgeschoben, weil es mir so dermaßen unangenehm ist.
Zuerst einmal stellte ich klar, dass wir uns hier in einer menschenwürdigen Lautstärke unterhalten.

     Ja, ich provoziere sie halt so.
     Gut, ich verstehe dich, es ist dir einfach dein Plan nicht aufgegangen. Ich habe dir einen Riegel vorgeschoben.
Welchen Riegel, was hast du mir vorgeschoben.
Ich kenne das Testament und ich habe dir durch die Sachwalterschaft den Geldhahn zugedreht.
 
 
Sie spuckt Gift und Galle.

Mein Vater nimmt nicht wahr, dass wir ein Streitgespräch führen. Mein Mann macht zwischendurch Späße mit ihm um ihn zu beschäftigen. Er ist heute gut drauf und wirkt sehr zufrieden.

Ich kriege Husten wenn ich das schreibe.

Um es abzukürzen: Sie sagt, dass wir nicht glauben brauchen dass ihre Dienste umsonst sind.
Wir erinnerten sie daran, dass sie von uns ein wirklich tolles und großzügiges Abgebot bekommen hatte bezüglich ihres Aufenthaltes bei meinem Vater. Man darf nicht vergessen, dass sie selbst 70 ist, vor ca. 15 Monaten bei meinem schwer dementen Vater aufgetaucht ist und nichts mit Pflege am Hut hat, körperlich auch nicht dazu in der Lage ist.
So wie ich das jetzt schreibe, frage ich mich für was ich ihr überhaupt ein Angebot gemacht habe.
Ich weiss, er ist einfach froh, wenn jemand bei ihm im Haus ist. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn nicht selbst pflege, dass ich und mein Mann nicht zu ihm ziehen.

Jedenfalls habe auch ich jetzt das Gefühl, dass sie bald ihre Sachen zusammenpacken wird. Grundsätzlich ist klar, sie kann finanziell nicht mehr wirklich von ihm profitieren und ob sie vom Testament profitieren kann, werden die Gerichte entscheiden. Das muss sie vor allem zeitlich einmal durchstehen.

Es ist jetzt die Zeit gekommen, dass ich mich um eine Hauskrankenpflege kümmere, gleich am Montag werde ich mich um einen Anbieter bemühen. Man wird sehen, wie oft die Krankenschwester dann kommen soll.
Ich glaube, dass die "Freundin" nicht mehr lange da sein wird. Irgendwann wird mich mein Vater anrufen und sagen, die Helga ist weg.
Es ist ja so, dass Alzheimer-Patienten wie mein Vater gerade nachts plötzlich starke Schmerzen in den Beinen, dem Schulter- und Nackenbereich bekommen. Er braucht dann jemanden, der bei ihm ist, der ihn beruhigt, Tee kocht und wenn nötig mit Schmerzmittel versorgt.

Mein Problem ist, dass sich mein Vater nicht um mich gekümmert hat. Hätte ich im Erwachsenenalter nicht so hartnäckig den Kontakt zu ihm gehalten, von seiner Seite wäre da überhaupt kein Kontakt gewesen (ich wollte Liebe und Anerkennung - hab ich eh nicht bekommen).
Ein Beispiel: Ich habe ihn einmal, zu Beginn meines Studiums um eine Schreibmaschine gebeten, da ich einfach nicht das Geld für eine hatte. Nachdem ich sie nach zwei Monaten nicht fristgerecht zurückbrachte, hat er mir vom Rechtsanwalt einen Brief mit einer Klagsandrohung schicken lassen. Das war mein Vater.
Ich bin mit 16 Jahren von zu Hause ausgegzogen. Er hat mit seiner Unterschrift damals bestätigt, dass er damit einverstanden ist.
Ich bin weiter in die Schule gegangen und habe zwei Jahre in einem Naturkostladen gearbeitet. Da ich ein zu geringes Einkommen hatte, wohnte ich bis zum Abitur in einigen Abbruchhäusern. Ich hatte aber immer Lehrerinnen und andere Menschen, die mir gut waren. Ich habe viel gefroren und mir ging es körperlich und psychisch nicht gut. Die Entscheidung wegzugehen war aber die Beste meines Lebens und ich habe es niemals bereut.

Ich weiss nicht ob ich mich verständlich ausdrücke, aber besser geht es momentan nicht. Die Geschichte meines Vaters ist auch meine Geschichte.
Sie nimmt mich emotional mit und ich reagiere mit psychosomatischen Beschwerden, dass ich mir selbst oft kaum zu helfen weiss.



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