Ich hatte ja vor einigen
Tagen wieder eine schräge Begegnung mit der neuen Familie.
Der Junge ruft mich an, und
sagt mir, dass die Mama heute Geburtstag hat. Schockschwernot. Das habe ich ja
ganz vergessen. Und jetzt habe ich mich gerade auf meinen wohlverdienten
Spätnachmittag gefreut.
Der Arbeitstag war heute
schön und ich freute mich schon darauf, meinen Körper zu spüren, Rad zu fahren.
Duschen und Haare waschen waren geplant.
Und dann der Anruf des
Jungen. Und weil ich ja noch immer glaube, dass seine Familie Scheiße ist,
frage ich ihn, wie es ihm geht. Und natürlich wollte ich hören, dass nicht
alles im Lot ist und so war es dann auch.
Dass die Mutter eine blutige
Blasenentzündung hat und er jetzt schon den ganzen Tag beim Fischen ist. Er
habe der Mutter gesagt, sie soll sich mal zu Hause niederlegen. Weil sie ja
auch Geburtstag hat.
Mama und Papa streiten immer.
Heute ist der Papa nach so einem Streit weggefahren und hat ihr gesagt, sie
soll verschwinden. Der Mama würde es so gut tun, wenn sie mal mit mir oder
anderen hinauskäme.
Und er selbst muss immer
seine freien Tage beim Fischen verbringen, dass geht ihn schon so an. Und
ständig muss er die Nächte im Auto sein und der Papa redet immer so blöd daher.
………
Und er weiß auch nicht, was
er machen sollte. Ihn gehe nur alles an. Und wenn ich zur Mama fahren, ob wir
ihn vom Fischen abholen können?
Ich bin sehr, sehr traurig,
mir tut der Junge unendlich leid, ich habe großes Mitgefühl für die Schwägerin.
Mein Herz ist schwer geworden. Ich weine ein paar Runden.
Ich möchte gerne helfen und
vor allem dem Jungen Trost spenden. aber ich weiß auch, dass ich mich da ja
nicht einmischen darf. Ich stecke in der Zwickmühle.
Also mache ich mich auf den
Weg.
Ich habe der Schwägerin eine
schöne Orchidee im Blumenladen gekauft und bin auf gut Glück zu ihnen nach
Hause gefahren. In meiner Vorstellung hatte ich das Bild, dass die arme
Schwägerin im Bett liegt, mit Fieber und komplett marode ist, sie sich über die
Orchidee freut und wir darüber sprechen, dass sie besser auf sich achten
sollte. Endlich auch einmal Zeit ohne den Alten zu haben. Also der böse und
schlimme Alte. Die Frau und der Junge, die unter ihm so leiden.
Tja. Als ich mit dem Auto
vorm Haus stehen bleibe, ruft mir der Bruder schon ein Hallo vom 1.Stock zu.
Sie sitzen im Stüberl, auf der Terrasse. Mich trifft der Schlag denn mit ihm
habe ich nicht gerechnet. Ich bin aus dem Konzept gebracht. Die Schwägerin ist
auch oben. So steige ich mit der Orchidee die wackeligen Stufen zu ihnen hinauf
und bin auf den Bruder sauer, dass er da ist. In meiner Vorstellung soll es
anders laufen.
Es gab ein großes Hallo, weil
ich komme und zum Geburtstag gratuliere. Ich bin froh, dass mich der Junge
erinnert hat. Was da los gewesen wäre, wenn ich nicht mit Geschenk persönlich
gratuliert hätte. So halte ich mich an die Konvention und dann kann ich wieder
für die nächsten Wochen und Monate verschwinden.
Ein Freund sitzt noch am
Tisch dabei.
Ich bin verwundert, dass die
Schwägerin im luftigen Rock und in Flip-Flops dabei sitzt und nicht mit Decke
im Bett oder auf dem Sofa liegt. Sie wirkt zwar leicht angeschlagen aber sonst
fit.
Ich erfahre, dass der Arzt
heute so ungut zu ihr war und sie nicht mehr drangenommen hat, nur weil sie
heute länger im Bett liegen geblieben ist. Jetzt muss sie morgen nochmals hin.
Mein Mitgefühl ist
schlagartig weg.
Mein Bruder will meine
Aufmerksamkeit und die bekommt er auch, wir haben über viele Themen zu
sprechen. Und immer wieder danke ich dem Jungen im Stillen, dass er mich
angerufen und informiert hat.
Dann beginnt bei der
Schwägerin des Handy zu läuten. Der Junge will abgeholt werden. Ja, da hat er
wohl keine Chance. Das abgeholt werden kann er sich jetzt in die Haare
schmieren und das ich bei seinen Alten bin, das erfährt er von ihr auch nicht.
Im Laufe der nächsten Stunde spricht er ihr auf den AB und schickt ihr SMS und
drängt auf’s Nachhause kommen. Leicht peinlich ist’s ihr schon und sie wirft
mir verstohlene Blicke zu. Und dann beginnt sie zu erklären, dass der Junge so
gerne beim Fischen ist. Jeden freien Tag mag er am Wasser verbringen. Und das
Heim ist so böse zu ihnen als Eltern, dass er dort alleine ist. Und dann kommt
wieder das Argument: „Die trauen ihm so wenig zu.“
Dann wird sie unvorsichtig
und erzählt, dass er schon mit fünf Jahre so selbständig war, dass er zum Spar
(der zwei Kilometer an der Hauptstrasse entfernt liegt ohne Gehsteig) einkaufen
gegangen ist. Und die Betreuer sind so böse auf sie und trauen dem Jungen
einfach keine Selbständigkeit zu.
Ja Alte, hast du einen Vogel!?
Und dann übersehe ich was.
Die Schwägerin tischt Wurst
und Käse und Butter und Brot auf und ich esse davon!!!!
Obwohl ich es besser wissen
müsste.
Und es ist mir wohl
aufgefallen, das sie selbst nichts davon gegessen haben (sie gehen immer
essen)! Ich habe noch gesagt, sie sollten doch auch zugreifen, ich komme mir
komisch vor, wenn ich alleine esse!!
Also ich esse die angebotene
Jause!!!!!
Und um 20 Uhr hat’s dann
begonnen. Die nächsten 7 Stunden waren Hölle. Als dann alles aus mir raus war,
ging es mir wieder gut.
Also, dass das kein Virus war
ist auch klar.
Weiß ich doch, dass sie es
nicht schaffen, das Essen vom Auto in die Küche und dort in den Kühlschrank zu
stellen. Hat mir doch auch der Junge am Telefon erzählt, dass sein gefangener
und ausgeweideter Aal seit zwei Tagen im Auto liegt und den Weg in den
Tiefkühler nicht gefunden hat und bereits stinkt (wieso er ihn nicht selbst in
den Kühler gelegt hat? ..der Raum ist abgesperrt). Die Schwägerin erzählte mir
zufällig von dem gefangenen Aal und dass sie ihn gleich in den Tiefkühler
gelegt hat. Ich hab’s Pokerface auf.
Als ich wieder nach Hause
fuhr, rief ich den Jungen nochmals an und habe ihm erzählt, dass ich dort war
und auch mitbekommen habe, dass er heim wollte. Er hat dann abgewiegelt und
meinte, er wollte nur, dass ihm wer etwas vorbeibringt.
Gruß und Kuss, und wir sehen
und hören uns.