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Donnerstag, 24. März 2016

Ostwind und warme Herzen

Viel war los in den letzten Wochen. Jeden Tag etwas anderes. Von einem zum anderen.
Viel Banales und trotzdem wichtig.
Was ist meines und was ist nicht meine Angelegenheit.

Letzten Mittwoch habe ich mir frei genommen. Der Sterbetag des Vaters war und ich habe für ihn eine Messe lesen lassen. Um 8 Uhr 30 in der Kirche.
Begeistert war ich nicht mehr von meiner Idee. Und wie es dann so war bin ich auch zu spät zur Kirche gekommen.
Der Schnee ist gefallen, der Ostwind hat mir kalt um die Nase geweht, ungemütlich war es und die Tür der Kirche war auch schon zu.
Alle drinnen, nur ich noch nicht.
Und weil’s so ist wie es ist und ich die Messe zahlen muss, beschloss ich nicht feig zu sein.
Also hinein in die „warme“ Stube.
Und weil ich eh schon zu spät komme und die Messe in vollem Gang ist, gehe ich auch durch den Mittelgang nach vorne.
Grad so, grad jetzt, nicht in die hinteren Bankreihen einschleichen. Ich habe nichts zu verbergen, die Tratschereien von anderen Kirchengeherinnen spielen sich so und so ab, da ist’s g’scheiter ich bin gleich so richtig präsent.
 In der vierten Reihe bin ich gelandet.
Beim Hereingehen ist mir aus den Augenwinkeln aufgefallen, dass die hinteren Ränge voll besetzt waren.
Und weil ich eh am ungenierten Leben teilnehme, drehe ich mich auch ungeniert um, ob ich es auch wirklich richtig wahrgenommen habe.
Wie die Schulkinder stehen sie hinten aneinandergedrängt da. Auf jeder Seite sind 2-3 Reihen voll besetzt. Einige Leute kenne ich gerne, und über den Rest seufze ich.
 Und ich sitze da in meiner vierten Reihe mit Sitzheizung. Und weil die Messe nur eine halbe Stunde dauert, lande ich dann mit meinem Hintern doch nicht im Fegefeuer.
 Zum Abschluß drehen sich die Leute zu einander und geben sich die Hand und wünschen sich Gutes. Und weil in meiner Nähe eine Frau sitzt, die mich freundlich anlächelt passt es. Wir geben uns die Hand und noch bevor ich meine guten Wünsche sagen kann, war ich zum anschliesenden Frühstück im Pfarrhof eingeladen. 
Für mich ein Phänomen, eine Bauernschlauheit, andere überlegen noch hin und her, haben die Bauernschlauen schon längst ihre Schäfchen ins trockene gebracht.

Ich lasse die Geschichte jetzt so stehen und weil es schon spät und ich müde bin gehe ich schlafen. Habt es fein.



Sonntag, 13. März 2016

Das will nicht jeder sehen


Des wü ned jeder segn. Des is oba ned da titel von dem song, aber meina meinung nach da inhoit. Und i stöh's ins netz, auch woanns g'waltig diaf is. 

Zwoar auf da oan seitn überzeichnet aber auf da oandern nu fü z'hoamlos dazöd.




Letztens sitze ich nach langer Zeit, zufällig mit dem 13 jährigen Neffen, dem Jungen, zusammen und er zeigt mir am Handy seine Lieblingssongs. Der absolute Burner sind die Songs von "Seiler und Speer". Kenn ich nicht, und nach dem ersten Ansehen war ich schockiert.
Alkohol, Frauen, Beziehungen, ein tiefes Programm.
Ich bekam sofort Angst um den Jungen, so von wegen schlechteste Vorbildwirkung. Was soll bloß aus dem Jungen werden, wenn er solche Inhalte cool findet.

Mittlerweile habe ich mir die Videos selbst einige Male angesehen. Schlecht sans ned.
Sie zeigen eine Realität.

Und wie war es bei mir in seinem Alter? Die amerikanischen und englischen Songtexte haben die Drogen verherrlicht, ich weise auf das Lied der Beatles "Lucy in the sky of diamonds" hin und viele viele viele andere Lieder in denen es um den Widerstand gegen das Establishment, um die Freiheit, um den Konsum von Drogen, um Alkohol, um Sex ging. Wieviele meiner Idole von damals sind an diesem Lebensstil kaput gegangen.

Gut, ich kann nicht von mir ausgehen, wenn es um den Jungen geht. Ich war grundsätzlich ein ängstlicherer Typ und auch wenn ich mit "freiheitsliebenden" Menschen unterwegs war, wilde Partys in der ersten Wohnung veranstaltet habe und ab 15 Jahren oft das ganze Wochenende Highlife hatte, hat es für mich keinen Drogen- und Alkoholkonsum gegeben. Nichts, nada.
Ich hatte als Kind zweimal einen Fieberkrampf und ich hätte mich mein Lebtag lang nicht getraut Mittelchen zu konsumieren, die vielleicht so einen Krampf wieder auslösen könnten.
Also Fortgehen bis zum Umfallen (tanzen, baden in der Nacht, riskantes Auto fahren, viel Lachen, viel Blödsinn treiben, Campen am Fluß, Lagerfeuerromantik, einfach geil halt, die Eltern haben mich nicht interessiert).

Der Junge hat Diabetes, muss täglich spritzen. Er kennt durchaus das Gefühl überdreht zu sein. Ob er's auch mag, ich weiß nicht.

Jedenfalls finde ich "Seiler und Speer" mittlerweile auch cool. So richtige Antihelden.

Ich war vor einigen Tagen mit dem Jungen im Auto unterwegs. Es hat sich so ergeben, dass die Alten mit anderen im Gasthaus zusammensaßen. Und weil der Junge und ich miteinander Spaß hatten und er mein neues gelbes Auto sehen wollte, sind wir hinaus, so schnell hat das niemand mitbekommen, waren wir auch schon weg.
Die Zeit mit ihm war gut, ich kann auch cool sein.


Dieses Video finde ich geil:



Samstag, 12. März 2016

Zusammenhalt - eine Geschichte

Ich bin immer wieder erstaunt, welche Geschichten sich im Gespräch auftun. Gerade im landwirtschaftlichen Bereich kommt es bei der Hofübergabe zu schlimmen Knebelverträgen. Gestern wurde mir so eine Lebensgeschichte wieder erzählt. Ich kenne sie schon lange, sie drängt in ihm immer wieder nach aussen und muss erzält werden.  
Viele solcher Geschichten gibt es, sehr gleich, sehr ähnlich.

Drei Generationen die in einem Bauernhaus wohnten. Ein Haus, zweigeschossig mit insgesamt 250 qm Wohnfläche. Im Erdgeschoß ist die Wohnküche, die Stube und dann noch drei Schlafzimmer. Die Milchkammer, der Hauswirtschaftsraum (Toilette, Dusche, Stallg’wand,..) und der Beginn des eigentlichen Stalles fängt auch hier an.

Im Oberhaus (Obergeschoß, erster Stock) ist eine sehr große Wohnküche, eine sehr große Bauernstube, Bad und Toilette und fünf weiter großzügige Zimmer.
Der ganz alte Bauer (Urgroßvater), so um die 90 Jahre, bewohnte bis zu seinem Tod hier das Oberhaus.

Die Eltern mit ihren 4 Kinder und deren Großeltern, teilen sich das Erdgeschoß. Ein Schlafzimmer für die Großeltern, ein Schlafzimmer für die Eltern und ein Schlafzimmer für die drei Buben und das Mädel. Als die Kinder älter wurden, wollte man das Mädel gerne aus dem gemeinsamen Schlafzimmer mit den drei Brüdern heraus in ein eigenes Zimmer übersiedeln, nur war der Platz nicht da, so blieben sie auch weiter miteinander.

Unter den jetzigen Geschwistern ist ein großes Verbundenheitsgefühl da. Sie sagen, dass kommt daher, dass sie immer zusammen waren, das sie sahen, wie der Urgroßvater im Oberhaus über den vielen Wohnraum bestimmte und mit den vielen, kleinen Bedingungen im Hofübergabevertrag die eigenen Leute beherrschte.
Jeden Tag hat er sich einen Liter nicht entrahmte Milch (obwohl er sie eh nicht soff) ausbedungen, ab September bis April wöchentlich einen Kubikmeter Holz, jährlich eine Daunendecke mit echten einheimischen Federn, vier Kilo Salz im Jahr, drei geschlachtete Schweine mit genügend Fettrand, ...
Irgendwann starb der Urgroßvater und die Großeltern machten den gleichen Reibach. Dann starben die Großeltern und die Eltern waren die Bauersleut.  
Und in dieser Generation wurde die Geschichte unterbrochen und verändert.

Der Vater war ein rechter Hallodri, der in zwei Jahren Ehe 4 Kinder zeugte. Der das Geld mit vollen Händen ausgab, ein Lebemensch. Die Mutter wusste zu Hause oft nicht wo er schon wieder war und die Arbeit mit den Tieren und mit der Landwirtschaft blieb an ihr und den Kindern hängen. Den Verdienst brachte der Vater durch und immer, wenn ihm das Geld knapp war, ging er zur Bank, die ihm auch bereitwillig beim Geldausgeben half.
So vergingen die Jahre, die Kinder waren nun um die 20 Jahre alt und die Mutter 45. Sorgen waren immer da. Das Geld war immer knapp. Die Arbeitsgeräte veraltet und ständig wurde etwas kaputt. Der Alte immer unterwegs in schicken Klamotten, mit fettem Auto und dicker Geldtasche. In der Hose hatte er wohl auch dicke Eier.

Sitzt einer der Jungs im Wirtshaus und die Stimmung war schon feucht fröhlich. Irgendwann raunt ihm ein Bankmensch zu, dass übermorgen ihr Hof versteigert wird und sich die Bank schon die Hände reibt.
Der Schlag hat den jungen Mann getroffen, die Welt ist zusammengebrochen. Man kann sich vorstellen, was dann zu Hause los war. Die Mutter und die vier erwachsenen Kinder. Es gibt keine Worte um diese schlimmen Gefühle zu beschreiben.
Zum Glück sind es bodenständige Menschen und sie hatten sich. Diese enge Verbundenheit, das Miteinander und miteinander ist man auch stark.

Auch, wenn sie sich immer wieder gegen den Vater erhoben haben, hat es in den früheren Jahren nichts gebracht. In dieser Nacht aber, war die Nacht der Nächte für die Familie. Der Alte kam heim, wohl mit leerem Sack und wurde gestellt. In dieser Nacht wurde es ausgemacht, wer nun der Bauer ist.
Es war nicht üblich zur Polizei zu laufen. Es war eine interne Sache, und die haben sie geregelt, untereinander.

Aus den Kindern sind fleissige Erwachsene geworden, Dank sei der Mutter für ihr gutes Wirken, und darum war es ihnen möglich innerhalb der Stundenfrist genug Geld flüssig zu machen, den Versteigerungstermin zu stoppen und nun „ihren“ Hof aus den Fängen der Bank auszulösen.

Das diese vier Menschen auf die Ewigkeit verbunden sind kann ich mir gut vorstellen.
Das Miteinader aufwachsen und die gemeinsamen Erlebnisse schweissen zusammen.

Die Mutter starb leider ein Jahr später auf ganz elendige Weise an Krebs. Schnell ist es gegangen, schlimm war es auch für die Kinder. Sie wurde zu Hause gepflegt und ist auch zu Hause Heim gegangen.

Der Vater hat sein Wohnrecht im Haus behalten.
Die Frau die er dann näher kennengelernt hat, war seinem Lebensstil ebenbürtig. Die Alte brachte auch Geld zum gemeinsamen Verbrauchen mit und zog bei ihm ins Erdgeschoß ein. Geheiratet haben sie auch vor einigen Jahren. Im Hofübergabevertrag ist vereinbart, dass die Kinder keine Frauen des Alten nach seinem Tod versorgen müssen. Wenn der Alte vor ihr stirbt muss sie gehen.

Die Tochter wohnt im Oberhaus mit ihrem Mann und den Kindern.
Alle drei Männer haben nach einigen zum Teil sehr heftigen Auf und Abs seit kurzer Zeit gute stabile Beziehungen. 

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