Ich bin immer wieder erstaunt, welche Geschichten sich im
Gespräch auftun. Gerade im landwirtschaftlichen Bereich kommt es bei der
Hofübergabe zu schlimmen Knebelverträgen. Gestern wurde mir so eine
Lebensgeschichte wieder erzählt. Ich kenne sie schon lange, sie drängt in ihm immer wieder nach aussen und muss erzält werden.
Viele solcher Geschichten gibt es, sehr gleich, sehr ähnlich.
Drei Generationen die in einem Bauernhaus wohnten. Ein Haus, zweigeschossig
mit insgesamt 250 qm Wohnfläche. Im Erdgeschoß ist die Wohnküche, die Stube und
dann noch drei Schlafzimmer. Die Milchkammer, der Hauswirtschaftsraum
(Toilette, Dusche, Stallg’wand,..) und der Beginn des eigentlichen Stalles
fängt auch hier an.
Im Oberhaus (Obergeschoß, erster Stock) ist eine sehr große
Wohnküche, eine sehr große Bauernstube, Bad und Toilette und fünf weiter großzügige Zimmer.
Der ganz alte Bauer (Urgroßvater), so um die 90 Jahre, bewohnte bis zu seinem Tod hier das Oberhaus.
Die Eltern mit ihren 4 Kinder und deren Großeltern, teilen sich das
Erdgeschoß. Ein Schlafzimmer für die Großeltern, ein Schlafzimmer für
die Eltern und ein Schlafzimmer für die drei Buben und das Mädel. Als die Kinder
älter wurden, wollte man das Mädel gerne aus dem gemeinsamen Schlafzimmer mit
den drei Brüdern heraus in ein eigenes Zimmer übersiedeln, nur war der Platz nicht da, so blieben sie auch weiter miteinander.
Unter den jetzigen Geschwistern ist ein großes
Verbundenheitsgefühl da. Sie sagen,
dass kommt daher, dass sie immer zusammen waren, das sie sahen, wie der
Urgroßvater im Oberhaus über den vielen Wohnraum bestimmte und mit den vielen,
kleinen Bedingungen im Hofübergabevertrag die eigenen Leute beherrschte.
Jeden Tag hat er sich einen Liter nicht entrahmte Milch (obwohl er sie
eh nicht soff) ausbedungen, ab September bis April wöchentlich einen Kubikmeter Holz, jährlich eine Daunendecke mit echten
einheimischen Federn, vier Kilo Salz im Jahr, drei geschlachtete Schweine mit genügend Fettrand, ...
Irgendwann starb der Urgroßvater und die Großeltern machten
den gleichen Reibach. Dann starben die Großeltern und die Eltern waren die Bauersleut.
Und in dieser Generation wurde die Geschichte unterbrochen und
verändert.
Der Vater war ein rechter Hallodri, der in zwei Jahren Ehe 4
Kinder zeugte. Der das Geld mit vollen Händen ausgab, ein Lebemensch. Die
Mutter wusste zu Hause oft nicht wo er schon wieder war und die Arbeit mit den
Tieren und mit der Landwirtschaft blieb an ihr und den Kindern hängen. Den
Verdienst brachte der Vater durch und immer, wenn ihm das Geld knapp war, ging
er zur Bank, die ihm auch bereitwillig beim Geldausgeben half.
So vergingen die Jahre, die Kinder waren nun um die 20 Jahre
alt und die Mutter 45. Sorgen waren immer da.
Das Geld war immer knapp. Die Arbeitsgeräte veraltet und ständig wurde etwas kaputt. Der
Alte immer unterwegs in schicken Klamotten, mit fettem Auto und dicker
Geldtasche. In der Hose hatte er wohl auch dicke Eier.
Sitzt einer der Jungs im Wirtshaus und die Stimmung war
schon feucht fröhlich. Irgendwann raunt ihm ein Bankmensch zu, dass übermorgen
ihr Hof versteigert wird und sich die Bank schon die Hände reibt.
Der Schlag hat den jungen Mann getroffen, die Welt ist
zusammengebrochen. Man kann sich vorstellen, was dann zu Hause los war. Die
Mutter und die vier erwachsenen Kinder. Es gibt keine Worte um diese schlimmen Gefühle zu beschreiben.
Zum Glück sind es bodenständige Menschen und sie hatten
sich. Diese enge Verbundenheit, das Miteinander und miteinander ist man auch
stark.
Auch, wenn sie sich immer wieder gegen den Vater erhoben haben, hat
es in den früheren Jahren nichts gebracht. In dieser Nacht aber, war die Nacht der Nächte für die
Familie. Der Alte kam heim, wohl mit leerem Sack und wurde gestellt. In dieser
Nacht wurde es ausgemacht, wer nun der Bauer ist.
Es war nicht üblich zur Polizei zu laufen. Es war eine
interne Sache, und die haben sie geregelt, untereinander.
Aus den Kindern sind fleissige Erwachsene geworden, Dank sei der
Mutter für ihr gutes Wirken, und darum war es ihnen möglich innerhalb der
Stundenfrist genug Geld flüssig zu machen, den Versteigerungstermin zu stoppen
und nun „ihren“ Hof aus den Fängen der Bank auszulösen.
Das diese vier Menschen auf die Ewigkeit verbunden sind kann ich mir gut vorstellen.
Das Miteinader aufwachsen und die gemeinsamen Erlebnisse
schweissen zusammen.
Die Mutter starb leider ein Jahr später auf ganz elendige
Weise an Krebs. Schnell ist es gegangen, schlimm war es auch für die Kinder. Sie
wurde zu Hause gepflegt und ist auch zu Hause Heim gegangen.
Der Vater hat sein Wohnrecht im Haus behalten.
Die Frau die er dann näher kennengelernt hat, war seinem
Lebensstil ebenbürtig. Die Alte brachte auch Geld zum gemeinsamen Verbrauchen mit und zog bei ihm ins
Erdgeschoß ein. Geheiratet haben sie auch vor einigen Jahren. Im Hofübergabevertrag ist vereinbart, dass die Kinder keine Frauen des Alten nach seinem Tod versorgen müssen. Wenn der Alte vor
ihr stirbt muss sie gehen.
Die Tochter wohnt im Oberhaus mit ihrem Mann und den
Kindern.
Alle drei Männer haben nach einigen zum Teil sehr heftigen Auf und Abs seit kurzer Zeit gute stabile Beziehungen.
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