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Freitag, 31. März 2017

So eine kindische Sache


Es ist Donnerstagabend und ich habe Lust noch etwas unter die Leute zu kommen. Einfach zu Hören was andere erzählen und beim mithören entspannen, vielleicht gibt es auch Spaß und es kann gelacht werden.

Ich bin geduscht, die Haare sind gewaschen, ich gefalle mir in der Hose und dem Shirt das ich anhabe, stelle fest, dass ich eine bessere Figur habe als vor Zeiten, schminke mich noch und fahre in leichter Stimmung los zu meiner Stammkneipe.

Schon wie ich zum Parkplatz hin fahre, sehe ich das Auto von dem Halbbruder dort stehen. So ein Scheiß, mir vergeht das ganze gute Gefühl, die Vorfreude auf den Abend.

Ich will nicht hineingehen, wenn die beiden auch drinnen sind. An manchen anderen Abenden fahre ich dann wieder nach Hause. Heute will ich aber nicht alleine zu Hause sitzen. Das würde mich frustrieren.

Ich weiß schon, ich habe ein Problem, weil eigentlich können mir die beiden so etwas von wurscht sein. In meiner Vorstellung, so wie es sein sollte, sehe ich das Auto, aha, auch da, gehe hinein, Grüße und alles ist gut. Ob die jetzt da sind oder nicht geht mir doch sowas von vorbei. Ich muss mich ja nicht hinsetzen zu ihnen.

Aber nein, was macht die gute Ganga? Die geht da jetzt schon mit einem grantigen Gedanken ins Haus hinein, sieht dann durch das Glas der Lokaltüre die Frau vom Halbbruder am Stammtisch sitzen, auf ihrem Platz (den es nur in der Einbildung von Ganga gibt),  und eigentlich hätte ihr da klar werden müssen, dass sie überreagiert.  Dass es jetzt kein guter Zeitpunkt mehr ist mit dieser schlechten Stimmung da hinein zu gehen.

Ich öffne die Türe, nehme die Frau in ihrer Präsenz  (Ganga, du weißt doch für was sie steht, über sie brauchst du dich gar nicht aufregen) da sitzend wahr, neben ihr der Bruder, beide in stark verschmutzter Kleidung und irgendwie sehe ich rot. Ich will nicht mit diesen beiden an einem Tisch sitzen, eigentlich nicht im gleichen Lokal sitzen.

Auf der anderen Seite vom Stammtisch wollen sie mir Platz machen, aber ich steure stur auf die Theke zu. „Ganga, setz dich doch zu uns her, ich rutsche ein Stück“, aber die bockige Ganga meint daraufhin nur, dass sie nicht zusammengequetscht sitzen möchte.

Ein Glas der üblichen Soda-Zitrone trinke ich und bezahle auch gleich die 2 Euro dafür. Die Wirtin kennt sich sofort aus. Ich sitze an der Bar, lese die Tageszeitung, schlürfe mein Getränk leer.

Irgendwie kann ich nicht mehr zurück. Ich brate im eigenen Saft der Verdrießlichkeit.

Die Gedanken sind düster.

Ich spiele damit mich nach einer anderen Stammkneipe umzusehen. Oder halt einfach wo anders hinzugehen, wenn ich ihr Auto sehe. Ich muss nicht immer hier her gehen. Ich kann auch zum Nachbarn ins Lokal gehen.

Und weil es mir eigentlich beschissen geht, ich nicht mehr aus meiner engen Gasse komme, und den Abend aber auch nicht zu Hause verbringen möchte, beschließe ich, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, dass ich jetzt zum ersten Mal im Nachbarbeisl vorbei schaue. Und das tue ich auch.
Ich hab ausgetrunken, meine Sachen gepackt und beim schnellen Rausgehen habe ich mich verabschiedet. Für mein Gefühl ein fürchterlicher Abgang und ich geniere mich bereits für mein kindisches Verhalten.

Draußen treffe ich Leute, die gerade kommen.

„Ganga, wo gehst du hin?“

„Ich schaue in den Lokschuppen.“

Befremdende Blicke treffen mich und ich erkläre, dass mein Halbbruder und seine Tussi drinnen sind und ich einfach nicht mit ihnen reden will. Sie verstehen was ich meine.

„Weißt du was Ganga, wir gehen mit dir.“

So stiefeln wir ein Haus weiter in die andere Bar. Es war OK dort, im Laufe der nächsten Stunde kamen noch andere bekannte Gesichter.

So gemütlich wie bei Maria ist es nicht, und eigentlich habe ich kein wirkliches Interesse, dort nochmals hinzu gehen. Es hat keine Wohnzimmeratmosphäre, das weiche und warme geht ab. Ein Saufbeisl. Die anderen sind auch nur wegen mir hin gegangen.

 Ich bin sehr unglücklich, schimpfe ich mich schon die ganze Zeit wegen meiner Dummheit. Der Mann meint: „Du wirst dich doch nicht von den Beiden aus deiner Kneippe vertreiben lassen.“ Doch genau so ist es. Ich schaff es einfach nicht, neutral zu bleiben.










Montag, 27. März 2017

Peter

Ich weiß, jetzt habe ich wieder 14 Tage nichts gepostet und ich schimpfe mich dafür, dass ich meinen Blog vernachlässige. Es ist halt so, dass ich viel erlebe, jeden Tag sind andere Dinge los, aber es sind keine netten und schönen Sachen, weswegen ich sie dann nicht veröffentlichen wollte.
Da ich aber meinen Blog gerne weiter führen möchte, habe ich mich entschlossen, diese dann nicht positiven Erlebnisse aufzuschreiben. Wem's einfach zu viel wird, der braucht's ja nicht zu lesen.

Was Harmloses ist, dass der Mann feststellt, dass ich am Wochenende so faul war, dass ich nicht einmal den Geschirrspüler ausgeräumt habe. Ja stimmt, aber andere Dinge waren wichtiger.
Was denn? Nichts wichtiges, aber einmal wieder eine Freundin besuchen, lange Schlafen, obwohl ich schaue wegen dem auch nicht ausgeschlafener aus, sondern wirke eher vernichtet. Und vor allem, dass ist es nämlich, einige Erlebnisse verdaue ich, das sind aber die harmloseren, und vor den anderen intensiveren Erlebnissen mache ich meine Augen noch ganz zu. Was aber nicht von Dauer sein kann, denn ich muss mich mit den unangenehmen Angelegenheiten sehr bald beschäftigen.

Ich mach es hier auch mal so. Ich erzähle dass, was im Prinzip nicht schlimm ist. Eigentlich eine Sache, die ich als Profi kenne und zum Glück nicht oft erlebe:

Ich hatte bereits ein eigenartiges Gefühl bekommen, weil ich von Peter (der Name ist natürlich geändert, aber ich finde es mit Namen immer viel griffiger) seit zwei Tagen nichts mehr gehört habe. Er hat vom Wohnungsamt eine Genossenschaftswohnung zugewiesen bekommen, auf die er Jahre gewartet hat.

Als ich Peter traf, war er seit 6 Jahren obdachlos. Er zog mit seinem Einkaufswagen, in dem er seine Habseligkeiten hatte, durch die Stadt. Immer die gleichen Wege, die gleichen täglichen Stationen, wo er sich sein Essen holen, wo er die täglichen Zeitungen kostenlos lesen konnte, ... .
Er kannte die Leute, die immer den selben Weg gingen, begrüßte sie, merkte, wenn einer zu einem anderen Zeitpunkt des Weges ging und über die Jahre kannten die Leute auch ihn. Er war freundlich, selten schlecht gelaunt. Ein Überlebenskünstler. Aber doch auch einer, der auf der Straße gelandet ist.

Vor zwei Jahren wurde ich vom Sozialarbeiter eines Krankenhaus angerufen: "Ganga, ich habe da jemanden der Unterstützung braucht. Er ist nicht ganz einfach, aber ich habe den Eindruck, dass ihr beide miteinander gut könntet. Magst du ihn dir anschauen? Darf ich ihn dir schicken?"

Peter mochte mich nicht und mich ging dieser überhebliche Kerl auch an. Trotzdem zog er in die Übergangswohnung. Zwei Mal hat er mir den Wohnungsschlüssel wieder zurückgebracht, weil ihm etwas missfiel was ich machte. Gut, ich bin auch nicht immer einfach und wenn man doch enger miteinander zu tun hat, lerne nicht nur ich den Menschen kennen sondern der auch mich. Das ich nicht nur gut schmecke sondern auch einmal hantig sein kann, ist da auch drinnen und Missverständnisse kann es auch geben. Und Peter trieb mich am Anfang unserer "Arbeitsbeziehung" immer wieder mal an eine Grenze. Erst als er mich authentisch erlebte, meine Grenzen bemerkte und ich ein Menschen zum Angreifen für ihn wurde, wurde er geschmeidiger.

Über die letzten beiden Jahre kam er immer regelmäßiger zu mir ins Büro, die Uhr konnte ich nach ihm stellen. In die Wohnung selber bin ich nur selten gegangen, denn sobald ich abgecheckt hatte, dass es ihm sehr wichtig ist, alles sauber zu haben, sah ich keine Notwendigkeit mehr in seinen privaten Bereich einzudringen (my home is your castle).

Und vor kurzem wurde ihm eine Gemeindewohnung zugewiesen. Er hat darauf gewartet, sich gefreut wie ein Schneekönig. Die Lage ist super, die Größe der Wohnung toll, eine Heizung gibt es, der Mietpreis ist sehr niedrig weil Altbau und dass heißt auch eine super Raumaufteilung und echte Ziegelwände!!!!
Wir haben gemeinsam die Anträge ausgefüllt, Ansuchen um Kostenübernahme der Kaution etc., alles wurde bewilligt, Peter hatte viele Rennereien.
Ich hatte schon den Eindruck, dass etwas komisch ist. Er verhielt sich zu unproblematisch, zu freudig. Ich schüttelte insgeheim den Kopf und meinte, da stimmt etwas nicht. Irgendetwas stimmt da nicht, das geht mir zu glatt, da passt was nicht.
Und dann kam der Tag der Wohnungsübergabe. Und Peter kam nicht.
Ich raufte mir die Haare, schimpfte im Auto vor mich hin, immer größer wurde meine Sorge um ihn und ich raste zur alten Wohnung.
Die Wohnung die noch vor 5 Tagen zusammengeräumt und sauber war, sah aus wie ein Schlachtfeld. Seine gepackten Sachen waren aus den Kartons gefetzt, Bierflaschen und Müll, alles in der Wohnung verteilt, eine Überschwemmung muss es im Bad gegeben haben, ... also es sah ganz übel aus und mitten drinnen Peter, der zusammengekrümmt auf der aufgeschlitzten Matratze liegt, aus der der Schaumstoff herausquillt.

Er hat das Handy an die Brust gepresst. Flüstert vor sich hin, dass er nicht gehen kann. Als er mich sieht, hebt er den Kopf und fängt wieder zu weinen an:
"Ganga, es tut mir so leid, aber ich kann nicht gehen, ich kann ohne dich nicht leben."


"Ich kann ohne dich nicht leben": Bekenntnis der Liebe oder der Hilflosigkeit?

(*1932), Dr. phil., Schweizer Publizist und Aphoristiker
Quelle: Reinhardt, Gedankensprünge. Aphorismen, Friedrich Reinhardt Verlag, Basel 2003



Es hat drei Tage gebraucht .... es ist soweit gut gegangen.


Ich drück jetzt ohne Korrekturlesen auf den Button.

Sonntag, 12. März 2017

Derangiert, abgeratzt

Auseinandersetzungen an allen Ecken und Enden. Über Monate und Wochen. Jeden Tag. Viel zu viel Yang-Energie.
Immer wieder das Bestreben auch das Yin ins Alltägliche zu holen. Ruhe zu schaffen.

Auch viel Unruhe ist im Alltäglichen. Neues entsteht. Und das in der starken Anspannung.

Ein Gespräch mit einer Freundin über unsere berufliche Tätigkeit: "Es ist egal." Sonst wirst du aufgerieben. Gehst im Getriebe drauf.

Meine Bedürfnisse leben.

War ich in einem Wohnheim, meint die Betreuerin, Essen ist halt der Ersatz für Sex. Ich habe gelacht. Diese Sichtweise hat auch ihre Berechtigung.

Es ist kalt bei uns. Ich bin nicht in der Laune, dass ich die Blümchen auf der Wiese entdecke.
Ich bin zwei mal auf der Landstraße zum Stehen gekommen, weil beide Male das Auto den Geist aufgegeben hat. Und wie ich da so den Abschleppdienst jedes mal organisiert habe und darauf wartete, dass die kommen, da habe ich nur diese mistige Kälte gespürt.

Den Fotoapparat habe ich immer dabei, in der Hoffnung, dass der Moment kommt und ich Motive wieder entdecken will. Eine Hoffnung die sich noch nicht ergeben hat.
So geht ein Tag nach dem anderen dahin.

Für die Wiedererlangung meines Wohlbefinden brauche ich zwei Wochen Urlaub. Habe ich bemerkt. Das Angebot des Dienstgebers waren drei freie Tage. Letzten Mittwoch und den kommenden Mittwoch und Freitag.

Und so gehe ich morgen, Montag in die hauptberufliche Arbeit und habe zwei eigentlich sehr belastende Angelegenheiten zu erledigen. Ich zucke die Schultern, was geht das geht, es ist egal.

Ich habe mit dem Halbbruder komische Konflikte, gewürzt mit eigenen Schuldgefühlen und Angeboten, die ich gar nicht setzen will. Eine Sache die ins Alter von 3-4 Jahren gehört.
Ich lehne ihn und seinen Anhang ab und will privat nichts mit ihnen zu tun haben. Auch sie mögen mich nicht.
Und er reagiert auf meine Ablehnung mit Vorwürfen, Anrufen, verfolgt mich (sobald ich auch tagsüber in meiner Kneipe auf einen Kaffee vorbeischaue steht er schon da und weil er sich dort nicht integrieren kann, sitzt er alleine da und starrt mich an) weil ich ihn nicht genug beachte, ihm zu wenig Liebe gebe. Da trifft er einen wunden Punkt bei mir. Ich habe mich wochenlang gequält wie ich aus dieser Misere herauskommen kann. Im Prinzip ist es einfach.
Ich verstehe, dass er sich abgelehnt vorkommt, dass es ihn kränkt, aber so ist es.
Ich habe ja das gleiche Muster. Lehnt mich jemand ab, fange ich an nachzulaufen, Angebote zu setzen, freundlich zu sein. Menschen die mit mir nichts zu tun haben wollen, ich zucke die Schultern, ist so wie es ist. Ich betreibe keinen Aufwand. Wende mich den Menschen zu, die mit mir wollen.

Am 09.03.2017 war der 3. Sterbetag des Vaters. Die Pflegerin, die ein schwindeliges Testament vom Vater vorgelegt hat, hat drei Tage vor Ablauf dieser 3 Jahres Frist die Klage eingebracht.
Das kostet Geld, da sind 20.000.- gar nichts. Abgesehen davon ist es belastend, denn ich weiß nicht wie die Gutachter und das Gericht im Prozess entscheiden.

Und so geht es halt dahin.

Etwas positives gibt es, ich habe nämlich bis jetzt 32 Kilo abgenommen. Die Haut sieht noch sehr ordentlich aus.

Obwohl ich immer wieder Tage dabei hatte, wo ich mich weigerte mich vernünftig ernähren zu wollen. Zu viel Aufwand, null Bock gutes Futter zu mir zu nehmen. Lieber ein Schnitzelsemmerl oder Chips und Cola light (mit Durchfall vom Zuckeraustauschstoff). Aber es war egal.
Ich habe mich die letzten zwei Wochen wie der letzte Heuler gefühlt. Den Blick in den Spiegel habe ich mir gespart und weil ich Naturlocken habe, reicht es wenn ich mir mit der Hand durch die Locken wuschle, dafür musste ich mich auch nicht ansehen.

Ich geniese es, dass ich dieses Wochenende viel Ruhe hatte. Das Laufband wurde wieder aktiviert, der Ergometer bescherte mir aktive Stunden, die Erinnerungen an sinnliche Erlebnisse waren schön (und das in meinem derangierten Zustand, da hätte sich mein Leben doch wohl auch eine Zeit aussuchen können, wo ich voll in Saft und Kraft stehe, attraktiv aussehe, ... ) und man merkt es, ich schreibe auch wieder einen Post.

Das Foto ist vom letzten Jahr.