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Dienstag, 11. August 2015

Aus der Arbeit: Eine Geschichte ... von früher und heute

Ich mache gerade die Urlaubsvertretung für einen Kollegen und komme bei einer Aufkündigung des Wohnverhältnisses zum Handkuss. Es ist immer eine schwierige und traumatische Sache, wenn jemand aus der Wohnung muss.

…  und ich denke mir, den Mann kenne ich doch. Er sieht zwar ganz anders aus als noch vor 30 Jahren, aber ich erkenne ihn doch wieder.

Unsere Begegnung damals war kurz. Er war mit einem Freund unterwegs und ich mit einer Freundin. Sein Freund und ich waren uns sympathisch und wir wollten den Abend zusammen verbringen. Also zogen wir zu viert um die Häuser und irgendwann landeten wir dann zu viert in der Wohngemeinschaft der Beiden.

Der Typ kam mir schon damals reichlich komisch vor. Er war zwar vom Gesicht her ein attraktiver Mann mit gleichmäßigen und markanten Gesichtszügen, aber er hat nicht viel gesprochen, schaute sehr grantig, gab sich unleidlich und hochnäsig.

Sein Freund und ich hatten unser eigenes Programm und er blieb mit meiner Freundin zurück. War der Typ angefressen, dass sein Freund die restliche Nacht etwas anders vorhatte. Er fand es eine Frechheit, dass der Mann mit ihm fortgeht und dann was besseres vorhat. Das sei für ihn nicht die Vorstellung von Freundschaft. Er zickte herum, war die totale Mimose, und nicht schwul!

Ein zweites Mal traf ich den Typen als ich neben der Schule Werbeprospekte austrug. Da läutete ich zufällig an seiner Tür an. Erkannt hat er mich nicht, ich sag mal, zum Erkennen gehört auch das Wahrnehmen. Und der Mann war damals ganz mit seinem eigenem beschäftigt.     
      
Der Typ textete mich da an der Türe ganz aggressiv zu, er sei Altenpfleger und habe Nachtdienst gehabt und was ich mir einbilde und bei ihm läute. Kann er nicht einmal Ruhe haben. Er wird sich an den Bürgermeister wenden, dass er nicht immer belästigt wird.  Und es gibt noch andere Personen, die ihn belästigen und vom Leben abhalten. Den Polizeiobersten kenne er auch und der werde ihm helfen.

War ich schockiert als ich ihn da stehen sah  und er abstruse aggressive Reden hielt. Ich habe ihn nämlich bei unserer ersten Begegnung ganz interessant gefunden. Er hatte so etwas Unnahbares und damals zogen mich so einsame Wölfe an. Aber als ich ihn so sah, hatte er schon ein hohlwangiges Gesicht und riesige Augen, die tief in den Höhlen lagen. Ich schaute, dass ich so schnell wie möglich weiterkam, denn damals war mir klar, dass der Typ auf harten Drogen sein musste. Auf einmal galoppierte die Phantasie mit mir durch und ich sah ihn mit einer Spritze auf mich losgehen, so aggressiv war der. Nur schnell weg.

Und dann begegnet mir derselbe Typ hier bei uns auf der Arbeit. 30 Jahre Drogenmissbrauch der härtesten Art und viel aggressiver als damals. Derzeit auf ein Substitut eingestellt. Ich kenne das eh, wenn so einer es schafft ein gewisses Alter zu erreichen, hat er nicht mehr die Power sich seinen Stoff zu besorgen. Für den Beikonsum (Tabletten) reicht es noch. Das Geld ist immer knapp, seinen Arsch (dieser Ausdruck muss sein, denn er beschreibt den unendlichen Missbrauch) kann er auch nicht mehr so verwerten wie früher und zum Klauen fehlt ihm mittlerweile das ruhige Händchen. Und vor einer Haft haben Drogensüchtige ja eine Heidenangst, denn da werden sie mit minimalen Dosen Gift auf null herabgesetzt. Und jeder der Mithäftlinge geht davon aus, dass er ein Stricher ist. Das Gerücht, dass Häftlingen potenzmindernde Mittel durchs Essen verabreicht werden, stimmt nicht.

Er hat gestern den Brief mit dem angekündigten Rauswurf mit Ende August bekommen und schon gestern ist er viermal bei mir aufgetaucht. Ein ums andere Mal aggressiver. Und immer die gleiche Leier. Bei einem Rechtsanwalt war er, in der Klinik ist er bekannt, den Stadtrat … kennt er, an den Bürgermeister hat er sich bereits gewendet, und diese Leute lassen sich das nicht bieten, dass mit ihm so umgegangen wird.

Morgen wird seine Geschichte und wie ihm übel mitgespielt wird in der Zeitung stehen usw. Zuerst  ließ er sich noch beruhigen und er zog ab. Beim letzten Mal brachte er mir einen alten Strickhandschuh mit und fetzte ihn auf meinen Schreibtisch (Fehdehandschuh). Ich soll ihn gefälligst bei meiner Chefin abgeben.
Ich: „ Sie, Herr … interessieren mich. Ich kümmere mich nicht um die Firma sondern bin für sie da. Den Fehdehandschuh werde ich nicht weiterreichen, den mit der Struktur der Firma habe ich nichts zu tun.“

Er zog unter Mitnahme des Handschuhs ab.

Der Chefin kündete er ein Blutbad an.

Für mich interessant ist die Sache, dass sich das Verhalten vom Stiefbruder und ihm ähnlich ist. Beide erhöhen sich indem sie mächtige Leute ins Spiel bringen. Beide fühlen, dass sie es zu nichts gebracht haben (viele von uns werden in dieser Vorstellung erzogen) und holen sich Verstärkung durch mächtige Menschen. Dann werden sie auch mächtig und können es den anderen zeigen, dass sie bestimmen und nicht wer anderer.

Und auch der Umgang mit Herrn … ist derselbe. Immer höflich bleiben, durchaus zugewandt, er bekommt Aufmerksamkeit und dann wird er ruhiger und geht von selbst. Sobald er merkt, dass er nicht ernst genommen wird oder man ihn weiterhaben will, beginnt er zu wüten und du bringst ihn nicht mehr weiter.

Klar kann man da die Polizei holen, nur das bringt rein gar nichts. Nach drei Stunden ist er wieder da und die ganze Chose fängt von vorne an. Und eine Fremdgefährdung und Einlieferung in die Klinik bringt auch nichts, da sie ihn nach einigen Stunden auch wieder auslassen müssen. Und keiner will ihn haben, er ist schon bekannt wie ein bunter Hund.

Nachtrag: Heute war er um halb elf wieder im Büro. Ich kam gerade von draußen herein und fragte ihn höflich, was ich für ihn tun kann. Er war irritiert und meinte, er lässt sich von mir nicht blöd anreden. Ich frage ihn wieder höflich, was ich für ihn machen kann und darauf meinte er ich soll mir morgen die Kronenzeitung besorgen, da stehe alles drinnen. Ich nahm es zur Kenntnis und verabschiedete ihn und zog meine Bürotür zu.
Er zog ab, beim Hinausgehen kam ihm eine Kollegin entgegen, die er anschrie, dass er für so Gfraster wie sie nicht die Türe aufhält.

Es bleibt spannend.


2 Kommentare:

  1. Spannend, aber durchaus auch etwas beunruhigend. Sehr zurechnungsfähig scheint er ja nicht zu sein und habe den Eindruck, dass du damit ziemlich alleingelassen wirst. Du verhältst dich allerdings bravourös. Zur Selbsterhöhung durch die Behauptung, dass man irgendwelche "wichtigen" Leute kennt: Ja, sowohl einer meiner Kollegen, der niemandem etwas Böses will, aber einfach einen Minderwertigkeitskomplex hat, als auch der Ex-Chef meiner Tochter haben dieses Syndrom. Der Ex-Chef hat seinen Mitarbeitern kein Urlaubsgeld gezahlt und als sie ihm ankündigten, dass sie sich an den Arbeiterkammer wenden würden, behauptete er, er würde dort Freunde haben, man solle sich ruhig beschweren, das sei kein Problem für ihn. Er glaubte offenbar wirklich, damit durchzukommen, war aber nix ;o))
    Liebe Rostrosengrüße,
    Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2015/08/fair-play-teil-1-frau-r-zeigt-faire.html

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    1. Hallo Traude,
      das ist meine Arbeit, es ist immer was los. Und wir sind meistens in Zweier Settings. Ich bin froh, dass sich der Mann noch immer zurückhält und es nicht zu Gewalttätigkeiten kommt.
      Liebe Grüße
      ganga

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