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Sonntag, 14. Januar 2018

Eine Geschichte vom Mann und seiner Reha

Der Mann ist noch bis Donnerstag, 18.01.2018 auf Kur. Am Donnerstag um so 9 Uhr kann er abgeholt werden.

Im Prinzip haben wir ständig Auseinandersetzungen. Die waren schon vor seinem Schlaganfall da und haben sich nachher sogar noch gehäuft.
Über die Weihnachtsfeiertage und Neujahr war er zu Hause und wir sind immer wieder so aneinandergeraten, dass er wieder in die Reha gefahren werden wollte.
Es hört sich schlimm an und ja, es ist auch schlimm. Auch mein schlechtes Gewissen ist da, dass ich den Mann, der Ruhe brauchen würde und Verständnis, jetzt so aufrege.

Was ist eigentlich los bei uns?
Ich habe dem Mann monatelang vor seinem Schlaganfall angekündigt, dass er einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall bekommen wird, wenn er so weitermacht.

Was hat er gemacht?
Er hat sich immer mehr verausgabt. Je mehr er gespürt hat, dass ihn die Kraft verlässt, desto mehr Energie hat er in die Arbeit investiert. Er wollte sich und den anderen nicht eingestehen, dass er am Ende ist und jetzt auf sich achten muss.

Dazu muss man wissen, dass der Mann ein Teil einer sozialen Kooperative ist. Alle sind wir gleich. Wir verdienen gleich viel, jeder hat das selbe Mitbestimmungsrecht und jeder fühlt sich für die Arbeit gleich zuständig. Ernesto Che Guevara läßt grüßen.
Ja, so etwas gibt es bei uns auch noch in Zeiten des Kapitalismus.
Gegründet in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Mittlerweile ist es eine gut gehende, nicht mehr kleine, Firma geworden, wo jeder seinen monatlichen Lohn erhält.
Der Mann und sein "Freund", ich nenne ihn Christian, sind von der ursprünglichen Riege übrig geblieben.
Die Cooperative wurde irgendwann einmal in eine GmbH umgewandelt mit einem Geschäftsführer, dem Gerhard, und einem Betriebsleiter, meinen Mann.
In heutigen Zeiten ist es nahezu unmöglich, dass man Leute mit diesem Bewußtsein des Miteinander findet.
Es kamen Menschen nach, die sich mit dem Mäntelchen des Alternativen tarnen um darunter ihren Egoismus und ihre desaströse Zerstörungswut zu leben, die sich einfinden. Menschen, die sich in die Gesellschaft nicht einfügen konnten, nicht weil sie daran kaputt gehen, sondern weil sie mit schweren Stiefeln auf alles treten.

Der Punkt an der Geschichte ist, dass sich mein Mann seit vier Jahren hilfesuchend an den Geschäftsführer gewandt hat, dass es so nicht weitergehen kann. Der Mann musste ausgleichen, Diskussionen führen, wurde mit Missachtung und Ignoranz gestraft und der Geschäftsführer meinte, man müsse Verständnis haben für einige Kollegen, es gehe schon irgend wie weiter. Ja, es ist auch immer weiter gegangen, weil dem Mann die Firma so wichtig war.
Er hatte dabei aber nicht nur die Firma zu führen sondern musste sich jeden Tag mit dem schädigenden Verhalten und dem Boykott einiger Mitarbeiter auseinandersetzen.
Ich spare mir jetzt Beispiele, weil sie zu langatmig werden würden.

Na jedenfalls hat es mit der Auflösung des Klüngels vor eineinhalb Jahren geklappt, als die 40 Jahre jüngere Freundin des Geschäftsführers Christian mit einem der Rädelsführer in Streit geraten ist (das erwähne ich deswegen, weil das Mädel ihm sagte, entweder er mache was oder er brauche nicht mehr zu ihr zu kommen).
Da ist mein Mann jahrelang seinem "Freund" nachgelaufen und hat ihm gesagt, dass es so nicht weitergehen kann, dass die Arbeiter aufgewiegelt werden und er täglich Probleme hat, dass er schon ganz fertig ist und nicht mehr kann, und das hat alles keinen Wert gehabt für Christian. Da musste eine blutjunge Frau kommen und auf einmal gab es fristlose Kündigungen.

Die vier Stellen wurden nie wieder nachbesetzt.

Der Geschäftsführer ist zwei Mal die Woche in der Firma, mein Mann täglich.
Mein Mann sagte ihm, er kann nicht mehr, er ist am Ende.
Christian meinte zu ihm, nein, wir können es uns nicht leisten, dass wir noch jemanden einstellen, dass muss so auch gehen.
Du musst Montag, Dienstag und Freitag in der Firma sein. Mittwoch und Donnerstag können wir das Geschäft zu sperren (die Arbeit läuft aber weiter!) aber du musst anwesend sein.
Die Firma boomt, ist international unterwegs und verdient einen Haufen Geld!


Ich habe diese Dramatik erst im Laufe des letzten Jahres erfahren, nachdem ich lange, schwere Auseinandersetzungen mit dem Mann gehabt habe und nicht locker lies.

Ich merkte, wie ausgebrannt mein Mann ist. Er schrie mich nur mehr an, bei der kleinsten Bewegung. Und so lange er zu Hause war, konnte er mich für alles Verantwortlich machen.
Seit er auf Reha ist, geht das nicht mehr und es kam heraus wie bedient er psychisch ist. Nicht nur sein Körper weißt zahlreiche Baustellen auf, am Schlimmsten hat es die Psyche erwischt.

Für meinem Mann war seine Arbeit immer das Wichtigste. Ich bin überzeugt, dass er mit der Arbeit sehr viel verbergen und verstecken konnte.

Körperlich kann er die Arbeit nicht mehr machen (die Stiegen an die hundert Mal auf und ab rennen, das Telefon und die Kunden und die Klienten gleichzeitig bedienen usw.), psychisch muss er mit der Enttäuschung durch seinen ehemaligen Freund und Geschäftsführer Christian fertig werden und dann hat er da so eine blöde Ehefrau an der Backe die einfach nicht locker läßt.
Und er befindet sich im Konflikt, dass er so gerne weitermachen möchte wie bisher, dass aber nicht mehr geht und er pensionsreif ist. Was soll er dann machen?!!

Der Mann ist auch vorbelastet durch seine Familie. Nachdem der Arzt seinem Vater gesagt hat, dass er mit seiner Staublunge nicht mehr arbeiten gehen kann und der Pensionsantrag zu stellen ist, ist sein Vater nach Hause gegangen und hat sich in der Speis aufgehängt. Die Frau und die Kinder haben ihn hängend gefunden.
Das sind Traumen.


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9 Kommentare:

  1. meine liebe, es ist ein drama!
    es tut mir sooo leid!
    und es ist die heutige zeit, die alle und alles unter druck setzt und wenn der kessel explodiert.....na und? menschenmaterial kann man nachholen.
    es ist wirklich furchtbar.
    kann er sich auszahlen lassen? oder hat er schon bei gmbh gründung irgendwie nicht aufgepaßt?
    warum will der gute christian keinen einstellen? er braucht die eingesparte kohle ganz dringend für weltliche anschaffungen?
    die zeit von einst kommt nicht zurück! das ist dem manne sicher klar.
    christian wird solange keinen einstellen, solange der laden trotzdem läuft.
    dein mann wende sich ab!!!!!
    was ist es, das ihn dort hält? die erinnerung, wie alles einmal begann? trauer, dass es nicht mehr so ist?
    es ist die zeit, in der sich die spreu vom weizen trennt, allüberall.
    ihr kommt doch zurecht, soll er endlich den täglichen stress sein lassen!
    so manch einer würde sicher gern mit ihm tauschen. also einer, der wirklich noch knechten MUSS, um die familie über wasser zu halten.
    rede ihm gut zu!
    möge seine reha verlängert werden, unbedingt!!!!
    m. würde wahrscheinlich eine familienaufstellung anraten, das löst mehr als 10 jahre therapie mit einem schulpsychologen.

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    1. Es ist ein Drama, genau.
      Zum Glück hat er sich finanziell nicht festgelegt und haftet mit nichts im Betrieb. Ob er einen Einsatz von angenommen 1.000.- geleistet hat bei GmbH Gründung muss er noch herausfinden.
      Ob dem Mann so wirklich klar ist, dass die Zeiten von früher vorbei sind, ich wage es zu bezweifeln. Und ich unterstelle ihm, dass er sich nicht mit sich und seinen selbst schädigenden Mustern auseinandersetzen will, sobald er aus der Reha entlassen worden ist.
      Sollte er wieder seinen Lebensstil von vorher aufnehmen, werde ich ihn verlassen. Ein zweites Mal gehe ich sehenden Auges nicht mit ihm diesen Weg.
      Der Mann ist sehr naiv, wenn es um diesen Christian geht. Er meinte noch vor einigen Wochen zu mir, dass Christian jetzt eine zusätzliche Kraft einstellen muss. Ich habe ihm auch gesagt, dass er das nicht tun wird, denn solange er seine Mitarbeiter ausbeuten kann wird er das auch machen. Der Mann hat mich damals wieder zusammen geschrien, aber ich habe Recht behalten. Und es ihm auch unter die Nase gerieben.
      Christian hat sich den Kollegen als Vertretung von meinem Mann ausgesucht, mit dem er am wenigsten in Auseinandersetzung gerät. Der andere Kollege, der so gerne den Job vom Mann übernehmen würde und den mein Mann auch dafür vorgesehen hat, den nimmt er nicht, den der fordert ihn zuviel heraus. Da muss er dann arbeiten und Verpflichtungen übernehmen.

      Es wird sich jetzt viel umstellen und verändern. Leichte Angst davor habe ich.

      Liebe Grüße
      Ganga

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    2. wenn er aggressiv reagiert ist es vielleicht seine art, seine eigene unglücklichkeit und unsicherheit wegzubrüllen, angst auch.
      denk mal über meinen o.g. letzten satz nach, wenn du dafür zeit und nerv hast.
      es ist wirklich bei allen, auch bei mir einst, ungeheuer hilfreich gewesen.
      allerdings: er muss hingehen.
      m.

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    3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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    4. Ja, dass kann sein, dass er sich so fühlt. Ich sollte mehr Einfühlungsvermögen für ihn entwickeln, seufz.
      Ich habe es anklingen lassen, dass er sich für einige Gespräche mit einem Therapeuten Termine vereinbaren soll. Eine Familienaufstellung wäre auch was. Das schlage ich ihm in geeigneter Minute vor.
      Seufz.
      LG
      Ganga

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  2. Liebe Ganga, das liest sich wie eine große Herausforderung - für Dich und den Mann auch.

    Letztendlich kannst Du Dir vermutlich den Mund fusselig reden - wenn der Mann das nicht wahrhaben will, dass es nicht mehr geht, dann wirst Du vermutlich nichts ausrichten können. Vielleicht kann der Psychologe in der Reha etwas bei ihm ausrichten.

    Ich lese gerade im Kommentar, dass Du gehen willst, wenn er so weitermacht. Verstehen könnte ich es. Es kommt ein Punkt in der Beziehung, wo man einfach nicht mehr weitermachen kann, wenn man nicht selbst mit untergehen möchte. Ich hoffe sehr für Dich, dass es nicht so weit kommt!

    Ich würde den Mann nicht ständig bequatschen - je mehr Druck Du machst, desto mehr macht er dicht und hält fest an den Dingen. Lass ihn selbst herausfinden, ob er nicht doch lieber aufhören möchte. Mit dem ständigen bequatschen wirst Du ihn nur weiter in seine Anti-Haltung treiben. Du kannst es eh nicht richten, nur hinnehmen, was er sich ausdenkt und Deine eigenen Konsequenzen notfalls ziehen.

    Pass gut auf Dich auf.

    Liebe Grüsse
    Clara

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    1. Wenn ich so nachdenke, ja es stimmt, erst auf Reha als ihm die Therapeuten und seine Ärztin gesagt haben, dass er Depressionen hat und und und, erst denen hat er es dann geglaubt.
      Ich bin traurig und gleichzeitig auch wütend auf ihn. Ach ich weiß auch nicht.
      Momentan ist es sehr hart, dass ich auf mich gut aufpasse, trotzdem, ich werde mein Bestes geben.

      Herzliche Grüße
      Ganga

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  3. Liebe Ganga,
    ich habe mir jetzt deine (heftige) Geschichte und auch die dazu gehörigen Kommentare durchgelesen - und mir drängt sich vor allem eine Frage auf: Könntest du eventuell mit einem Therapeuten bei der Kur ein Gespräch für DICH vereinbaren? Ich denke, wenn du es dort so ankündigst, dass du deinem Mann bestmöglich helfen willst, aber das du im Moment keinen Zugang findest und nicht mehr ein noch aus weißt, vielleicht bekommst du dann ein paar für dich brauchbare Tipps? Die Ärzte und Psychologen dort müssen ja eigentlich froh sein, wenn von der Familie Unterstützung kommt und sollten das fördern...
    Ich kann mir auf jeden Fall gut vorstellen, dass es weder für dich noch für ihn eine einfache Zeit ist. Aber manchmal ist eine Krise auch eine Chance, dass alles besser wird! Ich drück die Daumen!
    Alles Liebe - und ich hab mich übrigens sehr gefreut, dass ich dich mit meinen Klamotten-Kombi-Ideen inspirieren konnte!
    Herzlichst, die Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2018/01/anl-25-3-neue-herausforderungen-bei-anl.html

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