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Dienstag, 16. Januar 2018

Mal mit Hesse

Wie haben wir doch früher tagelang über Hesses Werke  philosophiert. Das Glasperlenspiel, ein äußerst schwieriges Buch, meinte ich zu verstehen. 

Was soll ich anfangen mit dieser vorgestellten Männerwelt, die sich dem Geistigen verschreibt.
Ein anderes Jahrhundert, eine andere epochale Zeit, Männerorden, ...
Keine Kreativität, das Lebendige fehlt mir ganz, Wachstum und Werden kommt gar nicht vor, Frauen erst recht nicht. 
Kein Buch mehr für mich.

Nichts desto trotz ist mir das Gedicht von Hesse vor kurzem untergekommen. 
Es gefällt mir, weil es vom Loslassen erzählt.


Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse (1877-1962)







4 Kommentare:

  1. Das ist so ein schönes Gedicht, liebe Ganga. Danke für's Veröffentlichen!
    Ja, nicht festhalten, die nächste Stufe einnehmen, weitergehen. Alles hat seine Zeit.

    Liebe Grüsse
    Clara

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    1. Es ist ja so, dass ständig etwas ist, immer wieder kommt etwas daher und stört unsere Ruhe.
      Mit Tapferkeit voranschreiten ...
      Herzliche Grüße
      Barbara

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  2. An diesem Gedicht habe ich auch meine Freude, obwohl ich seit je etwas Mühe hatte mit Hesse. Mich vermochte er nie wirklich zu entzücken.
    Danke für diesen schönen Post - auch das Foto ist toll!
    Lieben Morgengruss,
    Brigitte

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    1. Hallo Brigitte,
      ja, Hesse ist schon sehr speziell, sehr trocken und vergeistigt. Darum war ich auch erstaunt, als ich dieses Gedicht von ihm las. Er hat es geschrieben, nachdem er eine langwierige und schwere Krankheit überstanden hat.
      Mir gefällt besonders die Zeile "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne," sehr poetische Worte.
      Ich wünsche dir eine gute Restwoche
      Barbara

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